21.02.2011 - Archäologische Grabungen an der Brennaborstraße:
Eisenzeit im „Weißen Feld“ Denkmal des Monats Februar 2011

„Das darf nicht wahr sein - jetzt kommen vor dem Bauen auch noch die Archäologen“: So oder so ähnlich mögen seine Gedanken gewesen sein, als der Geschäftsführer der Firma RoTeg von der Stadt Dortmund erfuhr, dass sich auf seinem zukünftigen Baugrundstück an der Brennaborstraße im Weißen Feld Bodendenkmäler befinden könnten. Was war zu tun? Warten, bis die Baugrube ausgehoben werden würde und dann Stillstand wegen der Denkmäler riskieren, oder vorher prüfen lassen, was, wie viel und wo genau sich die Bodendenkmäler befinden, um sie vor der eigentlichen Baumaßnahme ausgraben zu können? Der Bauherr entschied sich für die zweite Variante.

Foto: Stadt Dortmund - Übersicht über einen Teil der Grabungsfläche an der Brennaborstraße mit gerade freigelegten Erdverfärbungen

Pfosten und andere Gruben

Mehr als 100 archäologische Strukturen fanden die Archäologen der Dortmunder Denkmalbehörde zwischen September und November 2010 im Baufeld der Firma RoTeg. Es handelte sich in allen Fällen um die Überreste von einstigen Gruben. Sie hinterließen als ehemalige „Löcher“ dunkle Flecken im gelben Lehmuntergrund. Die Verfüllung der Löcher unterscheidet sich aufgrund anderer Farbe und Struktur vom unberührten, „gewachsenen“ Boden.

An der Brennaborstraße gelang es, einige der Gruben als Pfosten zu identifizieren und sie zum Grundriss eines typischen Hauses der älteren Eisenzeit aus dem 6. oder 7. Jahrhundert vor Christus zusammen zu setzen. Das Gebäude verlief in Ost-West-Ausrichtung und maß mindestens 15 Meter. Die Außenwände waren wie bei einem Schiff leicht bauchig, so dass die Breite von ungefähr fünf Metern an den Schmalseiten bis zu mehr als sechs Metern in der Gebäudemitte variierte. Nur wenige Pfostenspuren im Gebäudeinneren, davon einige einer Firstpfostenreihe, hatten sich erhalten. Das Haus trug demnach ein Satteldach, das sich mit Zunahme der Gebäudebreite ebenfalls vergrößerte. Bei einer angenommenen Kopffreiheit von knapp zwei Metern in Innern und einer Dachneigung von etwa 55 Grad muss es eine Firsthöhe von ungefähr fünf Metern besessen haben - ein imposanter Anblick bei mehr als 15 Metern Hauslänge.

Die Abstände zwischen den Pfosten waren mit Fachwerk gefüllt, Überreste des Lehmputzes mit den typischen Rutenabdrücken der Gefachversteifung fanden die Archäologen in den Pfostenverfüllungen. Als Dachdeckung kamen Stroh, Baumrinde, kleines Astwerk oder ähnliches in Frage, möglich war auch eine Kombination verschiedener Materialien.

Über die Nutzung derartiger Gebäude während der Eisenzeit ist bislang nicht viel bekannt. Auch das Haus an der Brennaborstraße vergrößert den Wissenstand nicht. Andernorts fand man Hinweise auf Viehboxen und Feuerstellen. Die Archäologen gehen davon aus, dass sie es mit sogenannten Wohnstallhäusern zu tun haben, wie sie im ländlichen Bereich Nordwestdeutschlands bis in das 20. Jahrhundert üblich waren. Mensch und Vieh lebten unter einem Dach, getrennt durch eine große Diele als Arbeitsraum.

Gefäße für den Hausgebrauch

In unmittelbarer Nähe des eisenzeitlichen Hauses an der Brennaborstraße lagen drei, annähernd kreisrunde, dunkle Verfärbungen von ungefähr ein Meter Durchmesser, die sich bei näherer Untersuchung als Abfallgruben herausstellten. Sie enthielten zahlreiche Scherben von Tongefäßen, Bruchstücke von Ofenwänden aus Lehm sowie Steine mit Gebrauchsspuren. Die Gefäßbruchstücke waren teilweise sehr starker Hitze ausgesetzt gewesen, stärker als sie normalerweise beim Brennen von Tongegenständen erzeugt wird. Auch der Lehm in den Grubenfüllungen war stellenweise rot geglüht. Beides deutet darauf hin, dass man in den Gruben die „Unglücke“ der örtlichen Gefäßherstellung entsorgte.

Die Mehrzahl der Scherben gehört zu großen, dickwandigen, unverzierten und einfach geformten Töpfen, deren Oberfläche zusätzlich mit einem absichtlich rauh belassenen Tonschlicker überzogen ist. Sie dienten als Vorratsgefäße, und die unregelmäßige Außenseite ermöglichte eine sicherere, weil rutschfestere Handhabung. Doch ungewöhnlich viele Scherben gehören zu kleineren, glattwandigen, verzierten Töpfen, die oft als sogenannte Feinkeramik bezeichnet wird.

Anhand der Formen und Verzierungen von Tongefäßen können die Archäologen nicht nur Aussagen über die exakte Zeitstellung, sondern teilweise sogar über die Herkunft der Gefäße bzw. ihrer Vorbilder treffen. Neben den in der Eisenzeit weit verbreiteten „Kammstrich“-Verzierungen aus Winkel- und Wellenmotiven fanden sich an der Brennaborstraße auch Muster, die mit einem Rollstempel erzeugt worden waren. Sie sind in unserer Gegend sehr ungewöhnlich, denn sie gehören zum Verzierungsrepertoire eisenzeitlicher Bevölkerungsgruppen südlich der Mittelgebirge.

Weitreichende Beziehungen und Kontakte zeichneten offensichtlich die Bewohner des Hauses an der Brennaborstraße aus. Vielleicht war dies aber auch selbstverständlich für eine Zeit, die  uns so weit zurückliegend erscheint, dass wir sie eher mit Abgeschiedenheit und Isolation assoziieren als mit wirtschaftlichem und kulturellem Austausch.                                       

(Stadt-Pressedienst vom 01.02.2011, Kontakt: Udo Bullerdieck)

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